Erläuterungen

„Probably the most accurate indicator of our Planet’s health is the number of the existing biological species. In the course of evolution the number of plant and animal species was gradually increasing... Today we are witnessing the biggest ever extinction of plant and animal life in the last 65 millions years.“
Brown, Lester R.

Erst im 21. Jahrhundert erscheint es möglich, die Etappe der blinden Expansion der Kultur und ihres Raubbaus an der Natur abzuschließen.

Erstmals und offenbar auch zum letzten Mal erhält die biologische Art Mensch die Gelegenheit, den unerklärten Krieg der planetaren Kultur (der Zivilisation) gegen die Erde zu beenden. Die Zeit ist reif, den existentiellen Konflikt zu beenden, der die Zukunft des Menschen bedroht und den die heutige Raubkultur nicht gewinnen kann. Die Annahme der Verfassung für die Erde ist der erzwungene Schritt einer Hinwendung der Kultur zur Erde, die objektive Notwendigkeit, Umfang und Form der globalen Kultur im Hinblick auf die Erde zu regulieren und rechtlich anzuerkennen. Die Rechte und Freiheiten des Menschen müssen um die Pflicht der globalen Kultur ergänzt werden, das natürliche Dasein nicht zu gefährden und mit ihrem Wirtssystem in Einklang zu leben. Die Annahme dieser Verfassung ist daher von erstrangiger gesellschaftlicher Bedeutung für die Menschheit in einer Epoche ihrer ökologisch bedrohten Zukunft.

Wenn es nicht zu einer grundlegenden biophilen Wende der Kultur kommt, werden die Angehörigen einer Nation, eines Staats oder einer breiteren Gesellschaft weder moralisch, noch rechtlich, noch politisch souverän agieren können. Sie werden zu Verteilungskämpfen um Boden, sauberes Wasser und gesunde Lebensmittel, zu Kriegen um Energie und Rohstoffe verurteilt sein. Sie werden auf einem vergifteten und überhitzten Planeten dahinvegetieren und aus eigener Schuld aussterben. Die Rechte, Freiheiten und die Souveränität der Menschen setzen eine biologisch gesunde und unverschmutzte Erde voraus.

Die menschlichen Bewohner dieses Planeten können ihre teilweise Subjektivität ihrer artbeschränkten Existenz nur dann wieder zurückerlangen, wenn es ihnen gelingt, ihre Kultur der Erde anzupassen, die unsinnige Konzentration von Macht und Kapital in den Händen einer engen, nicht gewählten Elite zu überwinden. Es scheint, dass das derzeitige Kapitalismusmodell das letzte Evolutionsstadium in der Entwicklung der gegen die Natur gerichteten Kultur darstellt.

Durch die biologische Erkenntnis über die komplizierte molekulare Struktur aller lebenden Systeme, wie auch aller nichtlebenden Strukturen können wir endlich erkennen, dass die stolze Kultur der Menschen im Vergleich mit der auf natürliche Weise geordneten Natur nur eine Hütte ist, die hastig aus den Trümmern des zerstörten Tempels der Natur aufgebaut worden ist. Heute wissen wir, dass dieses Haus eine eilig zusammengezimmerte Umformung der feinen Prozessarchitektur einer in sich selbst völlig stimmigen und dynamisch ausbalancierten Erde ist. Wir erkennen, dass dieses Haus eine vorübergehende, artbedingt egoistische Umformung ist, die – im Gegensatz zu den zerstörten natürlichen Strukturen – nach dem Aussterben des Menschen nicht erhalten bleibt.

Die Rechte und Regeln einer natürlichen Erneuerung des Planeten Erde vertreten und verteidigen wir vor dem Ansturm der technischen Expansion des Menschen. Diesem gelingt es nicht, das künstliche System der Kultur, mit dessen Hilfe er sich offensiv an die natürlichen Bedingungen adaptiert, an den Planeten anzupassen. Die Aktivitäten des Menschen waren zwar von Beginn an einer angeborenen aggressiven Adaptionsstrategie unterworfen, jedoch konnte diese fast über die gesamte Dauer der Existenz unserer Art durch die ebenfalls angeborene menschliche Demut, wie auch durch den Respekt gegenüber der Erde korrigiert werden.

Demut und Respekt gegenüber der Erde, die nur noch bei Resten der einstigen Naturvölker erhalten geblieben sind, werden in der heutigen Verbrauchskultur durch die zweckbedingt deformierte Macht der Wissenschaft, der Technik und des Kapitals überdeckt. Die Demut eines neuen Typs, die aus der Erkenntnis des vernichtenden Einsatzes künstlicher Technologien gegenüber zerbrechlichen lebenden Systemen resultiert, kann in einem geistigen Raubparadigma bedauerlicherweise nicht entstehen.

Warum brauchen wir eine Verfassung für die Erde?

Die neuzeitlichen Verfassungen der Nationalstaaten, getragen vom Geist des aufklärerischen Optimismus und der endgültigen Niederlage der feudalen Verhältnisse, erwähnen die Rechte der Erde mit keinem Wort. Tatsächlich kehren alle traditionellen anthropozentrischen Verfassungen die Werteordnung um: die Natur halten sie für ontisch passiv, wertneutral und aus Sicht der Rechtsordnung für uninteressant, sehen sie als Welt des Menschen und für den Menschen. Und solch eine Welt eignet sich der Mensch instinktiv und in Einklang mit seiner Natur an, unterwirft sie sich und beschenkt sie mit seiner eigenen Bedeutung, weist ihr den durch ihn bestimmten Zweck zu. In Einklang mit dem anthropozentrischen Recht setzt er sich in einer solchen Welt durch, emanzipiert und realisiert sich. Er wird dabei von der offensiven Anpassungsstrategie seiner Kultur geleitet, die einen weiterentwickelten Teil seiner biologischen Prädisposition darstellt. Dabei formt er die Welt zu seinem momentanen und unmittelbaren Nutzen um. Gestärkt durch die Entwicklung seiner partikularen Rationalität verspürt er weder Respekt, noch Demut davor, dass er lediglich ein unbedeutendes Zweiglein am Baum des Lebens verkörpert, das allein nicht lebensfähig ist und seinem Stamm, wie auch dem Planeten Erde und allen anderen kosmischen Strukturen gleichgültig sein dürfte. Entsprechend der europäischen Geistestradition erkennt er die Natur nicht als ältere und umfassendere Subjektivität an, der er in seiner begrenzten menschlichen Subjektivität untergeordnet wäre.

Mit der Annahme der Verfassung für die Erde würdigt die Rechtsordnung endlich die Natur wie auch das natürlich-biologische Potenzial des Menschen. Durch die Akzeptanz einer der Kultur übergeordneten Erde sowie der biologischen Subordination des Menschen gegenüber der Erde signalisiert die Rechtsordnung den Menschen und der Politik in aller Klarheit, dass die Zeit für eine neue biophile Ausrichtung von Wirtschaft, Politik und Lebensstil gekommen ist. Damit kommuniziert sie öffentlich, dass der Mensch zwar nicht die Krone der Schöpfung darstellt und seine Kultur im Vergleich mit der Natur nicht bedeutender oder höher angesiedelt ist, bzw. nicht komplexer organisiert ist. Dennoch sieht sie den Menschen immer noch als recht außergewöhnliche Erscheinung an. Schließlich schuf dieser eine bemerkenswert entwickelte, gegen die Natur gerichtete Kultur, ist sich seiner Schuld an der Zerstörung der Natur bewusst geworden und geht nun das Wagnis ein, eine neue Evolutionsetappe seiner Kultur einzuleiten, die langfristig, biophil und an einer Symbiose mit der Natur orientiert ist.

Da der Entwurf einer Verfassung für die Erde als ein allen heutigen anthropozentrischen Verfassungen übergeordnetes Dokument gedacht ist, bleibt deren Gültigkeit nur in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Bürger, den Staat und seine Organe, die Integrität des Staatsgebiets und einen Teil internationaler Abkommen und Verträge gewahrt. Neu angenommene Verfassungen, die zum Ausgangspunkt für eine biophile Gesetzgebung werden, müssen die Rechte, die Schaffenskraft und die Ergebnisse der natürlichen Evolution der Erde respektieren.

Ernst Haeckel, philosopher, biologist, and artist, known as German Darwin, was one of the first who already in 1860-1904 worked hard to prove that nature was a place of order, balance, and beauty – here an illustration from his book Art Forms of Nature.

Die Kultur des Menschen, die nach quantitativen Maßstäben wächst und gedeiht, wird für die Erde aufgrund ihrer andersartigen Struktur und Ausrichtung zu einem gefährlichen, nichtbiologischen Tumor. Auch wenn sie die Erde nicht als planetaren Organismus vernichten kann, so zerstört sie deren innere Ordnung, das physikalische, chemische und biologische Gleichgewicht, das sich im Laufe der natürlichen Evolution der biologischen Art Mensch eingestellt hatte.

Das unerwünschte Wachstum der technischen Konsumkultur, welche sich unkontrolliert auf dem gesamten Planeten ausbreitet, wird jedoch von der Mehrheit unserer Zeitgenossen, von Rechtsordnung und Politik eher positiv bewertet, als Zuwachs an Reichtum und Freiheit, als Verbesserung der Lebensbedingungen für die Menschen. Ohne eine ontologische Evolutionstheorie wird die Öffentlichkeit kaum verstehen können, dass die blinde Expansion der Kultur mit einer Verringerung der natürlichen, inneren Ordnung der Erde und mit dem Risiko verbunden ist, dass der Planet unbewohnbar wird.

Auch die Rechtsordnung muss deshalb offen erklären, dass in einer Situation, in der für den gesamten Kosmos das Gesetz der Masse- und Energieerhaltung, jedoch kein Gesetz über den Erhalt von innerer Ordnung (Information) gilt, komplexe irdische Strukturen einer Kultur nur durch Umformung (Aufbrechen) bisheriger natürlichen Strukturen entstehen können.

Die Subjektivität der Erde

Wie bereits angedeutet wurde, lässt die heutige Rechtsordnung künstliche kulturelle Subjektivität, also ethnische, staatliche, unternehmerische, finanzielle und militärische Subjektivität zu. Diese Feststellung bestätigt die theoretisch belegte Tatsache, dass Subjektivität die Fähigkeit offener nichtlinearer Systeme ist, ihre eigenen hochgradig geordneten Strukturen zu produzieren und zu erhalten. Im Falle der Natur bedeutet dies, dass lebende irdische Systeme aktiv sind, offen für Stoffe, Energie und Informationen. Sie erkennen nämlich ihre Umwelt, verfügen über eine eigene Evolution und ein Gedächtnis, können sich durchsetzen und sind selbstschaffend und autoregulativ. Die Anerkennung einer rechtlichen Subjektivität der Erde schließt nicht die Voraussetzung ein, dass sie über ein Bewusstsein und einen Willen verfügt und somit sprechen und moralisch handeln kann. Als Argument mag genügen, dass die Erde die Biosphäre und den Menschen geschaffen hat, dass sie den Menschen versorgt, reproduziert, und heute auch – selbst beschädigt durch die Kultur – bedroht. Ein hinreichender Grund für die Anerkennung der Subjektivität der Erde mag die Tatsache sein, dass aus ihrer Subjektivität die partikulare und vorübergehende Subjektivität des Menschen und seiner Kultur abgeleitet ist. Aber ähnlich wie im Falle von nicht personengebundenen kulturellen Subjekten können nur sprechende Vertreter die rechtliche Subjektivität der Erde verteidigen.

Es gilt, dass nicht Entscheidungen von Menschen die Subjektivität bestimmen, sondern die Realität selbst. Jede Subjektivität äußert sich durch die messbare Fähigkeit einer ontischen Schaffenskraft. Wenn der Ausdruck der Subjektivität der menschlichen Kultur eine vorübergehend existierende, globalisierte Kultur ist, dann ist der analoge Ausdruck der übergeordneten Subjektivität der Erde die langfristig existierende Biosphäre. Ein unbestreitbarer Ausdruck der Subjektivität der Erde ist demnach ein lebendes, hochgeordnetes System, das den Menschen als eine mit eigener, allerdings nur begrenzter und vorübergehender Subjektivität begabte biologische Art einschließt.

Eine rechtliche Garantie der Subjektivität der Erde ist eine direkte, wie auch gleichzeitig indirekte Ablehnung des heute schädlichen Anthropozentrismus. Es wird klar, dass der Konflikt zwischen Natur und Kultur, zu dessen Verschärfung es ohne die raubtierhafte Orientierung der Geisteskultur gar nicht gekommen wäre, als zuverlässiger Beweis für die Inadäquatheit aller Formen menschlicher Überlegenheit gelten kann. Die heute weit verbreitete anthropozentristische These von der Welt ist nämlich nicht nur in Einzelheiten und Teilargumenten unrichtig, sondern in ihrem tiefsten Wesen, in ihrer Gesamtheit. Und dies letztendlich auch dort, wo sie auf die Erstellung eines expliziten Konzepts der Wirklichkeit verzichtet. Der Anthropozentrismus ist auf kein explizites Konzept der Wirklichkeit angewiesen, eine Tatsache, derer sich Philosophen, Juristen und Politiker freilich meist nicht bewusst waren. Er argumentiert mit der Stärke seiner biologischen Verankerung in der konservativen Natur des Menschen – dem Genom.

In der Vergangenheit erklärte der Gesetzgeber das Volk des einen oder anderen Landes zum endgültigen, niemandem unterstehenden Souverän, ohne dabei die absolute biologische Nachrangigkeit der menschlichen Art gegenüber der Erde zu berücksichtigen. Auch wenn wir die befreiende Wirkung dieser Formel verstehen, deren Sinn es war, die Rückkehr der mittelalterlichen Monarchien zu verhindern, verweisen wir auf ihre historische Begrenztheit. Die Feststellung, dass das Volk höchsten Souverän dieser oder jener Kultur darstellt, konnte nur in jener Zeit gelten, als die Menschheit noch nicht die gegen die Natur gerichtete globale Wirtschaft und die Technosphäre erschaffen hatte, und als diese künstlichen Subjektivitäten der Kultur noch nicht das natürliche Gleichgewicht und die dadurch gegebene stetige Erneuerung des Planeten Erde bedroht hatten.

Wenn wir bei Individuen oder gesellschaftlichen Institutionen die Subjektivität anerkennen, d.h. die Fähigkeit aktiv zu agieren, Erkenntnisse zu gewinnen, zu entscheiden und deren ontische Schaffenskraft, wie können wir sie einem System versagen, das spontan das Leben geschaffen hat, den Menschen und alle Voraussetzungen seiner Subjektivität? Wie können wir sie einem System versagen, das eigenständiger und mächtiger als die globale Kultur ist und das über ihr endgültiges Schicksal entscheidet? Wenn wir uns darin einig sind, dass die heutige globalisierte Kultur und die Technosphäre objektive externe Ausdrucksweisen der Subjektivität des Menschen sind, was hindert uns daran, den oben angeführten Gedanken zu akzeptieren, dass die Biosphäre einschließlich des Menschen einen analogen externen Ausdruck einer Subjektivität der Erde darstellt? Die Zweckgebundenheit, durch welche die Kultur charakterisiert werden kann, steht nicht höher als die Spontaneität, die die Kultur ebenso charakterisiert. Allerdings kann die Spontaneität, die die natürliche Evolution zuverlässig lenkt, nur unter der Voraussetzung einer in geistiger Hinsicht biophil eingestellten Kultur ihre optimierende Rolle spielen.

Die Veränderung des Raubparadigmas

Das konservative Genom des Menschen ist nicht die einzige Ursache der heutigen rauborientierten Kultur. Die soziokulturelle Ursache dieser Haltung, eine Ursache, die wir im Unterschied zum menschlichen Genom ändern können, ist das einst akzeptierte geistige Raubparadigma. Unter geistigem Raubparadigma verstehen wir den ideellen Komplex geometrischer, mathematischer und philosophischer Abstraktionen, mit welchen es bereits der griechischen Philosophie und Wissenschaft gelang, das Denken gegen das Sein einzutauschen, und somit den schwer erkennbaren Charakter und die Einheit des Lebens mit nichtlebenden Entitäten nicht zu sehen, die Kreativität, das Gleichgewicht und die Ordnung der irdischen Natur nicht zu begreifen. Über Jahrhunderte hinweg war deren Erkennen der ansteckenden Magie technologischer Begriffe einer theoretischen Sprache unterworfen, die bis heute Schüler und Studenten der meisten Schulen verwirren.

Auch wenn die Grundlagen dieses verborgenen Geistesparadigmas der Kultur bereits im antiken Griechenland gelegt wurden, so werden wir uns erst heute, nach zweieinhalb Jahrtausenden endlich des Gewichts eines ideellen Irrtums bewusst, der im Tausch der ontisch kreativen und fein geordneten Natur gegen die begrifflichen Ideale der klassischen Wissenschaft bestand. Gerade dieser Irrtum, einst zweifellos berechtigt, führt die hochtechnisierte Kultur an den Rand ihrer Vernichtung. Es zeigt sich, dass auch die heutigen hochentwickelten Naturwissenschaften von der Natur nicht gebraucht werden, dass sie selbstständig agiert und von der menschlichen Erkenntnis unabhängig ist. Eine adäquate naturwissenschaftliche Interpretation, allerdings ohne die verzerrende Optik des Raubparadigmas, wird lediglich die Kultur für ihren eigenen Erhalt benötigen.

Das geistige Raubparadigma, entwickelt und verstärkt von der neuzeitlichen gallileisch-newtonischen Wissenschaft, wurde zur wichtigsten ideellen Stütze der heutigen anthropozentrischen Verfassungen, zum allgemeinen Rahmen einer auf Raub ausgerichteten Legislative. Dieses Geistesparadigma beherrscht heutzutage auf zweierlei Weise Politik, Unternehmertum, Medien und Bildungssystem. Erstens, in Form einer künstlichen kulturellen Objektivität verursacht es die Zerstörung der durch die Evolution geformten lebenden und nichtlebenden Systeme der Erde. Zweitens, in der Bildung und in der Wirkung der Medien behauptet es sich wie jede andere Ideologie – es setzt den Menschen die Brille einer anthropozentrisch verzerrten Interpretation der Natur auf. Nicht nur das Bildungssystem, sondern vor allem die heute von großen Korporationen beherrschten Massenmedien reden den Menschen auf raffinierte Weise ein, dass sie anstelle eines Waldes Holz sehen sollen, anstelle der nichtlebenden Natur nur Rohstoffe und Energieträger, anstelle einer formenden Erde nur die landwirtschaftliche und industrielle Produktion einer globalisierten Kultur.

Die verdeckte, auf Raub ausgerichtete Grundlage der Kultur, die einst Voraussetzung ihrer Entfaltung war, führt die Kultur heute ins Verderben. Die Art Mensch auf der Erde zu erhalten und ebenso die zu ihrer Existenz notwendigen anderen biologischen Arten und nichtlebenden Strukturen auf der Erde zu erhalten, bedeutet, von der Eroberungsstrategie abzulassen und der einzigartigen Kreativität der Erde würdig Raum zuzugestehen.

Scheinbar im Widerspruch zum heutigen technischen Fortschritt stellen wir fest, dass wir von einer gesunden, unverseuchten Erde abhängen - mit jedem Atemzug, mit jedem Schluck Wasser, mit jedem Bissen unserer Nahrung. Daher müssen wir die Erde rehabilitieren, sie erneut heilig weihen, zurückkehren zu ihrer ursprünglichen Verehrung. Unseren Glauben an übernatürliche Geschöpfe sollten wir wieder der real existierenden natürlichen, unbeachteten Subjektivität der Erde zuwenden. Diese übersteigt die begrenzte Subjektivität des Menschen und seiner Kultur, und wir haben deshalb nicht das Recht, sie wie bisher zu regulieren und zu dominieren.

Die Erde

  1. Die Erde ist für den Menschen und seine Kultur das einzige mögliche Wirtssystem. Sie ist daher weder Baumaterial, noch Energie, oder bloßes Land oder Nahrungsquelle. Ebenso ist sie keine Halde für den technologischen Abfall der Kultur. Sie stellt eine formende, biophile Aktivität dar, die älteste, umfassendste und mächtigste planetare Subjektivität. Sie schließt den Menschen mit ein und ermöglicht nicht nur dessen vorübergehende, artbegrenzte Subjektivität, sondern ist ebenso imstande, eine in angemessener Weise entfaltete, weder den Menschen noch die Erde bedrohende Subjektivität der Kultur auch langfristig zu tolerieren.
  2. In den lebenden Systemen der Erde befindet sich, geschrieben in der Sprache der Nukleinsäuren, eine große Menge natürlicher Information. Das Aussterben von biologischen Arten und das Erschöpfen von Erzen, seltenen Erden und fossilen Brennstoffen durch die Kultur bewirken deshalb nicht nur einen irreversiblen Verlust der natürlichen Evolutionsordnung, sondern auch einen unersetzlichen informationskulturellen Verlust. Die Kultur entsteht durch die menschliche Aktivität auf der Grundlage der unvollständigen und zweckgebundenen epigenetischen (neuronalen) Information des Menschen, die von der Oberfläche der natürlichen Strukturen abgelesen worden ist. Diese vergegenständlichte, natürliche Information eignet sich die Kultur nur schwer an. Mit Hilfe der Naturwissenschaften versucht sie jedoch, diese Inhalte immer besser zu dechiffrieren und zu verstehen.
  3. Der kosmische Stoff (die Elemente des Periodensystems), aus dem die Gravitation einst die glühende Erde entstehen ließ, befindet sich nicht nur in unserer äußeren Umgebung, sondern auch in jedem von uns. Die chemischen Elemente dieses Stoffs, die in unsere Körper eingebaut sind, entstammen nicht nur sterbenden Sternen, sondern müssen auch nach unserem Tod, ähnlich wie alle anderen lebenden Systeme, an den Planeten zurückgehen. Daher sind wir einerseits eines von vielen evolutionär entstandenen und mit dem Kosmos und der Biosphäre in vollkommenem Einklang stehenden Wesen des Planeten Erde. Andererseits sind wir aber auch eine besondere Art, die einzige, die eine Kultur geschaffen hat. Denn in Einklang mit den Vorgaben des eigenen Genoms und auf der Basis der andersartigen neuronalen Information startete der Mensch eine weitere Evolution, die oppositionelle Evolution der Kultur.
  4. Die natürliche Evolution testet auch beim Menschen den Erfolg seiner biologischen und evolutionären Konstruktion. Sie testet diese vor allem indirekt, mittels der Kompatibilität des menschlichen Werks, d.h. des überpersönlichen Körpers und der Funktion der Kultur mit der Natur. Ein kulturelles System, das die imaginäre Grenze der Belastbarkeit der Erde und des Menschen als natürlicher Systeme überschreitet, das zu umfassend ist und gegen die Natur arbeitet, wird unabhängig von seiner technischen und informationellen Überlegenheit zusammen mit dem Menschen notwendigerweise untergehen.
  5. Auch auf der ideellen Ebene müssen wir der Erde wieder das zurückgeben, was ihr von der neuzeitlichen Wissenschaft, die das Raubparadigma entwickelt hat, genommen wurde: ihr Primat, ihre Kreativität, ihr Gedächtnis in Form ihres Erbes und ihre Subjektivität. Auch wenn die Erde weder die Ursache für die Existenz des Kosmos, noch das Ziel seiner divergenten (expansiven) Evolution sein kann, so müssen wir doch ihre Einzigartigkeit anerkennen. Diese ist nicht durch die scheinbar zentrale kosmische Lage gegeben, als vielmehr durch etwas, was wir übersehen: die erreichte Stufe der natürlichen Entwicklung des Lebens, die fein aufeinander abgestimmte molekulare Ordnung und das Gleichgewicht zwischen nichtlebenden und lebenden Systemen.
  6. Die Erde als die höchste kreative Subjektivität hat wie eine „weise Mutter der Evolution“ lebender Systeme ihre unumkehrbare Geschichte in der Zeit. Als Teil des Kosmos, an dessen Entwicklung kein Zweifel besteht, ist sie dadurch etwas Besonderes, dass mit ihrer räumlich unbedeutenden Position ein bedenklich schmaler Bereich von Bedingungen verbunden war, der die Entstehung von Leben und dessen ausreichend lange und nie ganz unterbrochene Entwicklung begünstigte. Diese Entwicklung ist heute auf vorher nie dagewesene Art und Weise durch die Ausbreitung der gegen die Natur gerichteten Kultur der Technik gestört.
  7. Die Biosphäre der Erde ist die natürliche Fortsetzung der abiotischen kosmischen Evolution, entwickelt sich zusammen mit ihr, denn das Weltall ist ihr erweiterter evolutionärer Rahmen. Die Biosphäre ist eine große dissipative Struktur, die durch Subjektivität charakterisiert werden kann und die von Sonnenenergie gespeist wird. Diese Energie, einzigartige physikalische Bedingungen und die Anwesenheit geeigneter abiotischer Elemente machten es möglich, dass sich das Leben auf der Erde entwickeln konnte, angefangen von seinen ersten Formen (Bakterien) bis zum heutigen Entwicklungsstadium – der Entstehung des Menschen und der quartären Biosphäre. Die Biosphäre unseres Planeten bereichert die irdische abiotische Umwelt strukturell insofern, als dass die Erde als Ganzes einen klug geordneten Organismus mit einer inneren konstitutiven Information bildet.
  1. Das irdische Leben ist im Grunde ein langfristiges Experiment der kosmischen Evolution, das in einem Laboratorium namens Erde stattfindet. Daher ist es anmaßend, dass unsere Raubkultur zur knappen Hälfte der Versuchsdauer so störend in den Verlauf des Experiments eingreift: mit ihrer antinatürlichen Einstellung, die wir unbedingt ändern müssen, vernichtet sie ohne Skrupel die komplexesten Produkte dieses Experiments und beeinträchtigt die Integrität des planetaren Ökosystems. Dies ist auch deshalb unzulässig, weil die Evolutionsdauer der Biosphäre in Milliarden von Jahren gerechnet wird, während die durchschnittliche Dauer der Existenz biologischer Arten, zu denen der Mensch zählt, für gewöhnlich einige Millionen Jahre nicht übersteigt. Dabei wissen wir noch immer nicht, in welcher Phase des „Lebenswegs“ unserer Art sich die heutige gegen die Natur gerichtete Kultur befindet.
  2. Das wunderschöne, bemerkenswert geordnete, in seiner fragilen Dynamik ausgeglichene System des Lebens auf der Erde darf aus zwei Gründen nicht weiter geschädigt werden: Erstens, weil die Kultur als Gebilde und Expansionsmittel einer biologischen Art die natürlichen Strukturen nicht geschaffen hat und die Menschen daher ihre innere Ordnung, ihren Platz und ihre Funktion im Evolutionsprozess der Biosphäre nicht verstehen. Zweitens, weil die Kultur vom langfristig stabilen Gleichgewicht der lebenden und nichtlebenden Umwelt existentiell abhängt. Nur durch die natürliche Reproduktion des Menschen, nur im Ergebnis der menschlichen, nichtbiologischen Aktivität kann sie für eine gewisse Zeit existieren als vorläufiges, andersartig konstruiertes Subsystem des Planeten, als imaginärer künstlicher Tumor.
  3. Da das Sonnenlicht die primäre Energiequelle und damit die Grundlage für die Existenz, die Reproduktion und die Entwicklung aller lebenden Systeme auf der Erde war, wuchs deren organisatorische und funktionelle Komplexität mit der Zeit, dank einer hinreichend langen Einstrahlung des Sonnenlichts. Sie ist mit einem Tempo gewachsen, das offenbar nicht höher sein konnte, denn einerseits hing dies mit der begrenzten Leistung der Sonneneinstrahlung und der hohen Zuverlässigkeit bei der Übertragung der genetischen Information, andererseits mit dem erreichten Organisationsgrad der lebenden Systeme zusammen.
  4. Die heute lebenden Organismen sind deshalb wichtige Zeugen der Entwicklung der gesamten Biosphäre. Als offene Systeme mit einer inneren Information sind sie unmittelbare und mittelbare Zeugen der spontan konstitutiven Funktion der natürlichen Aktivität und der Zeit. Die Zeit und die Aktivität sind dadurch nicht nur materialisiert worden, sondern haben sich als Information auch in den spezifischen Strukturen der Biosphäre festgeschrieben. Der evolutionäre Wert lebender Organismen steht daher in direkter Proportionalität zur Unwiederholbarkeit der vergangenen Zeit. Dieser unermessliche Wert hängt eng damit zusammen, dass er spontan und zu Bedingungen entstand, die bereits nicht mehr gegeben sind und dass ihn, sollte er von uns vernichtet werden, weder die natürliche, noch die kulturelle Evolution wiederherstellen kann.
  5. Aus der Anerkennung der Einzigartigkeit der Erde, ihrer von allem Menschlichen unabhängigen Subjektivität, erwächst die Notwendigkeit einer neuen bürgerlichen und politischen Haltung. Diese Anerkennung verpflichtet uns, das Wissen über den unersetzlichen Wert der Erde nicht nur für den Erhalt der heute existierenden Lebensformen zu nutzen, sondern auch für den Erhalt des Menschen und seiner Kultur. Sie verpflichtet uns, eine biophile Transformation der heutigen, nicht nachhaltigen Raubkultur anzustreben. Die anthropozentrische Rationalität, die sich zunächst auf die ontologische Dominanz des Menschen und später auf seine persönliche Freiheit, sein Eigentum und unteilbare Rechte etwas einbildete, wird sich eingestehen müssen, dass sie nicht ahnte, dass in erster Linie das Leben unteilbar ist, mit dessen Schicksal die menschliche Freiheit, das Eigentum und die Menschenrechte verbunden sind. Die „Menschenrechte“ werden zudem – wie sich heute zeigt – von der neuen Verpflichtung der Kultur gegenüber der Natur eingeschränkt: dem Imperativ des Erhalts einer bewohnbaren Erde.

Die Kultur

  1. Die Kultur ist gänzlich ein Werk des Menschen. Sie ist Prozess und Resultat der menschlichen nichtbiologischen Aktivität. Die natürliche Evolution, die die Natur auf der Erde einschließlich des Menschen erschaffen hat, schafft nicht die Kultur und kann sie nicht in ihr System organisch einschließen, denn es handelt sich bei ihr um ein künstliches System mit einer andersartigen konstitutiven Information (einem anderen Gedächtnis) als im Falle der Natur.
  2. Den Inhalt des kulturellen Gedächtnisses bildet keine menschlich-genetische, phylogenetisch entstandene Information, die den Menschen auf kleinster, molekularer Ebene in das System der Biosphäre integriert. Das kollektive kulturelle Gedächtnis entsteht aus der neuronalen Information unserer biologischen Art, deren Inhalt vorwiegend soziokulturellen Charakter trägt und die die Kultur begrifflich auf der elementaren phänotypischen Ebene integriert.
  3. Die Kultur wird in einer auf natürliche Weise hochgradig geordneten Welt geformt, sie entwickelt sich durch die Aktivität einer einzigen biologischen Art, die die Ordnung und die evolutionäre Weisheit der Natur nicht versteht. Eine unangebracht soziokulturell angelegte und viel zu weitreichende menschliche Aktivität kann negative Folgen nicht nur für die Kultur, sondern für den Menschen selbst haben. Das kulturelle System erhöht seine relative Individualität, setzt seine antinatürliche Orientierung durch und kann infolge des Abschöpfens zusätzlicher Energie den anderen lebenden Systemen die ökologischen Nischen entziehen, sie ausrotten und auf gefährliche Weise die natürliche Ordnung unterlaufen.
  4. Die natürliche Ordnung war allerdings dem Menschen und auch der kulturellen Ordnung zeitlich vorangegangen. Die Kultur kann als sich unterscheidende, ontisch strukturierte Tatsache nicht die natürlich geordnete Erdoberfläche neu strukturieren, ohne die natürlichen Ökosysteme zu vernichten und kostbare, durch Evolution entstandene Formationen zu schädigen. Das System der Kultur, dessen informationelles Subsystem die jeweils in ethnischer Sprache kodierte Geisteskultur ist, ist nämlich nicht in der Lage, die strukturell hochobjektive genetische Information des Menschen zu nutzen, da diese nur artbiologisch konstitutiv ist und die relativ kurze Verweildauer des Menschen in der Kultur nicht reflektieren kann.
  5. Die Kultur ist seit ihrer Entstehung auf ihre eigene, soziokulturelle Information angewiesen, die in der Art ihrer Kodierung der Natur fremd ist. Diese ist zwar durch die Modifikation der menschlichen, sensorisch-neuronalen Erkenntnis geformt, aber dadurch, dass sie erst in der Kultur entsteht, ist sie nicht nur biologisch, sondern auch soziokulturell determiniert und kann auf diese Weise zum Träger einer entpersonifizierten Expansionstendenz des künstlichen Systems der Kultur werden. Im Vergleich mit der fragilen und hochobjektiven phylogenetischen Wahrnehmung ist die menschliche ontogenetische Erkenntnis nicht nur oberflächlich, grob und ungefähr, sondern auch zweckbestimmt und eigensüchtig auf die Art Mensch bezogen. Auch deshalb konstituiert sich die materielle Kultur einschließlich der Technik als künstliches System, das aus zerschlagenen Strukturen der Erde erbaut ist, als Fremdkörper mit einer antinatürlichen Struktur, Orientierung und Arbeitsweise.
  6. Gegenüber der Biosphäre ist die Ordnung der Kultur nicht nur strukturell different und abiotisch ausgerichtet. Sie ist auch bemerkenswert einheitlich, mit einer Tendenz, sofort die zur Verfügung stehende soziokulturelle Information zu objektivieren, ihre eigene ökologische Nische zu erweitern. Auch wenn sie aus einer einzigen (menschlichen) phylogenetischen Linie der biotischen Evolution erwächst, „baut“ sie mit dem Material fast aller natürlichen Strukturen der Erde. Da sie eine andere Information über die äußere Welt vergegenständlicht, schafft sie eine andere Ordnung. Vor allem die hohe Leistung zusätzlicher Energie aus fossilen Brennstoffen und die starke wirtschaftliche Integration senken ihre Adaptabilität gegenüber der lebenden und nichtlebenden Umwelt der Erde, unterbinden ihre Fähigkeit, sich ständig durch negatives Feedback aus ihrer Umgebung zu optimieren. Die Kultur zerrüttet das natürliche dynamische Gleichgewicht von lebenden und nichtlebenden Strukturen nach der industriellen Revolution auch dadurch, dass sie wesentlich schneller wächst als die Biosphäre und bisher im Raubparadigma keinen Höhepunkt (einen stabilen Zustand) mehr erreichen kann. Seit der natürlichen Katastrophe am Ende des Mesozoikums, die die Dinosaurier aussterben ließ und das Zeitalter der Säugetiere einläutete, gab es daher kein schnelleres Verschwinden der biologischen Vielfalt.
  7. Eine höhere, abstrakte Gerechtigkeit bei der Ausbreitung der Kultur besteht darin, dass auch der Mensch, der die „allergische Reaktion“ der Biosphäre hervorruft, der Logik des Erhalts ihrer Integrität unerbittlich unterworfen ist. Er wird zu einer bedrohten Art. Erstmals in ihrer Geschichte sind somit die Menschen (und ihre Kultur) auf globaler Ebene durch jene Umwelt bedroht, die deren Entstehung einst ermöglichte. Es steht zu vermuten, dass die Politik, die sich heute hauptsächlich um den Erhalt der Macht, des Wirtschaftswachstums und der Bedingungen für Unternehmen und Konsumentenfreiheiten kümmert, sehr bald genötigt sein wird, ihre Entscheidungen unter dem Druck einer bedrohten Zukunft des Menschen zu treffen.
  8. Die Überwindung der heutigen Opposition zwischen Kultur und Natur darf nicht die Frage außer Acht lassen, in welchem Sinne der Charakter der heutigen Kultur mit dem Menschen und seiner genetischen Ausstattung zusammenhängt, und in welchem Sinne er mit dem Inhalt der soziokulturellen Information verbunden ist, mit dem geistigen Raubparadigma, das die europäische Kultur einst annahm und in der Neuzeit weiterentwickelte. Es ist offensichtlich, dass der direkte Zusammenhang mit dem Menschen als biologischer Art durch die besondere Struktur des menschlichen Körpers und der menschlichen Psyche gegeben ist, durch die angeborene, aggressive Anpassungsstrategie der Art Mensch. Der Mangel an biologischer Spezialisierung, der eine Universalität der menschlichen Interessen bedingt, lässt seine Umwelt nicht nur zum Objekt der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse, seines Verlangens nach Wertschätzung und Erkenntnis, sondern auch zum Gegenstand von Besitz und Konsum werden. Denn der Mensch forschte nie einzig und allein zu seiner Freude. Er forschte, um die Welt auszubeuten, um sich durch Aggression an die Welt anzupassen, um sich seinen äußeren, nichtbiologischen Körper zu schaffen, die Kultur.
  1. Da die Kultur ein System mit einer eigenen inneren Information darstellt, steht der Konflikt von Kultur und Natur in einem „kausalen“ Zusammenhang mit dem Inhalt und der Rolle der Geisteskultur. Denn diese reproduziert als innere Information des Systems Kultur – gleich einem imaginären soziokulturellen Genom – die Form der heutigen, gegen die Natur gerichteten Kultur. Die Veränderung ihrer verborgenen, auf Gewinn und Ausbeutung orientierten Haltung, eine biophile Veränderung des „kulturellen Genoms“ ist deshalb der Schlüssel zur Entspannung und Lösung der Krise. Denn wenn wir ein System mit einer inneren Information (einem Gedächtnis) verändern möchten, müssen wir seine Information, sein Gedächtnis verändern. Alte Einstellungen und alte konstitutive Informationen sind nämlich in der Lage, auch beabsichtigte phänotypische Systemveränderungen rückgängig zu machen.
  2. Das System der Kultur enthält einerseits ein durch seine Informationen streng vorgegebenes Format, z.B. Technik, Gebäude, Konsumgegenstände usw. Doch als ein Ganzes, das sich in blinder Evolution entwickelt, kann es kein informationell streng vorgegebenes System sein. Auch wenn es ebenfalls durch Sukzession entsteht, so unterscheidet es sich doch erheblich von natürlichen Ökosystemen. Natürliche Ökosysteme, die aus einer Population informationell streng geordneter, lebender Systeme entstehen, integriert die biophile Einstellung der natürlichen Evolution auf der Erde, keinesfalls aber eine spezielle Information des Ökosystems. Künstliche Systeme der Kultur, die neben dem Menschen und einigen Organismen informationell streng vorgegebene Elemente der Technik und der materiellen Kultur enthalten, müssen jedoch – verständlicherweise über menschliche Aktivitäten – durch freie konstitutive Informationen integriert werden, durch die verstreute Kultur des Geistes. Und diese weckt als geistiger Garant für die Interessen unserer biologischen Art, aber auch als für Veränderungen offenes Subsystem, die Hoffnung, dass es der heutigen gegen die Natur gerichteten Kultur gelingt, sich biophil zu transformieren, dass es ihr gelingt, zur Natur zurückzukehren.
  3. Die kognitive Komponente der menschlichen Psyche, die sich im Laufe der Evolution unserer Art am schnellsten entwickelt hat und mit der wir die Hoffnung auf eine steigende Objektivität beim Erkennen der Welt verbinden, ist und war nie eigenständig. Zunächst war sie zwar nur ein ausführendes Organ des menschlichen Körpers und der Psyche, später aber wurde sie unbeobachtet zu einem analogen Organ der reproduktiven Ansprüche einer gegen die Natur gerichteten Kultur. Bereits eine Reihe von Jahrhunderten unterliegt sie der verborgenen Geisteshaltung einer Raubkultur. Daher stellen wir heute fest, dass all unsere Interpretationen, Werte und Regulative von unseren Interessen gefärbt sind, und das nicht nur von individuellen und Gruppeninteressen, wie allgemein zugegeben wird, sondern ebenso von verborgenen, allgemein menschlichen Interessen, den egoistischen Interessen unserer Art, über die nicht gesprochen wird.
  4. Die wissenschaftlich-begriffliche Erkenntnis, die heutzutage die Elemente der hochentwickelten Technik und der gesellschaftlich-materiellen Kultur streng formatiert, erfasst nicht die Natur in ihrer faszinierenden Ordnung, ontischen Kreativität und Komplexität. Die Erkenntnis wurde nicht nur durch das erwähnte geistige Raubparadigma geprägt, sondern bereits durch die vorwissenschaftliche Aufarbeitung der Welt, die gewöhnliche Sprache und Wahrnehmung. Schon als Hominiden und erste Menschen, d.h. bereits als Jäger und Sammler, mussten wir die Welt artspezifisch verzerrt wahrnehmen, sprachlich kodieren und interpretieren, d.h. so, dass wir mit unserer artspezifischen Ausstattung in ihr überleben konnten. Die Welt stellte für uns vor allem das dar, was uns in der jeweiligen Epoche unsere konservative biologische Natur zu vermitteln vermochte und was wir aufgrund der damaligen Kultur von der Welt verstanden. Da wir durch unseren Organismus und unser Genom an die äußeren Tatsachen a priori evolutionär angepasst waren, brauchten wir in der Vergangenheit nie zu wissen, was die Natur und das Leben sind, was Kultur ist und welche Stellung die Kultur in der Natur einnimmt. Dieses Wissen, ein theoretisches Modell einer künstlichen, zweckgebundenen Subjektivität der Kultur und einer breiteren natürlichen Subjektivität der Natur benötigen wir erst heute.
  5. Das anti-natürliche System der Kultur entstand spontan aus dem Wesen der menschlichen Natur heraus. Durch Selektion von Teilkulturen kristallisierte und verfestigte sich seine geistige Grundhaltung. Das geistige Raubparadigma nahm deshalb nicht nur innerhalb dieses Systems Gestalt an, sondern fand seinen Niederschlag auch auf dem Gebiet des Rechts und der Politik, deformierte die menschliche Ontogenese, die Erziehung und die Bildung der Menschen. Durch die Aufnahme einer ökologisch positiven informationellen Veränderung ist das heutige System in der Lage, sich „aktiv zu verteidigen“. Diese Resistenz gegenüber einer biophilen soziokulturellen Orientierung erinnert an die Funktion einer informationellen Barriere zwischen zwei Arten oder des Immunsystems eines Organismus. Da das heutige System der Kultur nicht durch die Objektivierung einer biophilen Kulturinformation entstand, ignorieren sein menschlicher, organisatorischer und objektiver Teil diese Information. Menschen, die die anti-natürliche Kultur unkritisch annehmen, sind für die Argumente einer biophilen Veränderung nicht zugänglich, verstehen nicht ihre perspektivische Bedeutung, ihren Ethos und ihre auf die Selbsterhaltung der Kultur abzielende Rolle.
  6. Eine die gesamte Erde umfassende Lösung der Krise, die nicht nur von der menschlichen Natur allein, sondern ebenso von der philosophischen Erkenntnis ihrer verborgenen geistigen Wurzeln ausgehen muss, erfordert zuerst eine hochgradig theoretische Vorbereitung. Eine positive ökologische Transformation der existentiell bedrohten Kultur durch ein biophiles Paradigma und unter Mitwirkung des Rechts, das die biophile konstitutive Information garantiert, stellt einen historisch noch nie dagewesenen Versuch der Menschheit dar, ihre zerstörerische Phase einer antinatürlichen Evolution der Kultur endgültig zu beenden. Die Hoffnung, dass dieser Versuch gelingt, kann jedoch auch daraus geschöpft werden, dass die Bedingungen für einen ökologischen Wandel durch die Verschärfung der Krise der heutigen antinatürlichen Kultur von selbst entstehen. Die Krise muss sich leider noch zuspitzen, die Lebensbedingungen auf der Erde müssen sich unglücklicherweise noch weiter verschlechtern, damit die Unabdingbarkeit eines grundlegenden Wandels, den die einfachen Menschen nur als Enttäuschung oder als unbestimmte Bedrohung empfinden, auch von den höchsten politischen Entscheidungsträgern in ihr Programm aufgenommen wird.

Der Mensch

  1. Der Mensch als biologische Art, der die Kultur hervorbringt, ist nicht die unmittelbare systemische Ursache der heutigen Krise der Zivilisation. Die Ursache ist der von Menschen initiierte und später dann von der Kultur selbst umgesetzte Prozess der Kulturevolution. Die systemische Ursache für die ökologische Krise ist der Konflikt zwischen dem System der Kultur und der Erde in ihrer Eigenschaft als Wirtssystem der Kultur. Grundlage ihres Konflikts ist die zerstörerische rauborientierte Expansion der Kultur, die den Verlust und die Zerstörung des natürlichen Seins hervorruft.
  2. Der menschliche Organismus bleibt, unabhängig von der Stufe der kulturellen Entwicklung, biologisch stabil und kohärent mit dem erreichten Niveau der natürlichen Evolution auf der Erde in jenem Teil der Welt, in dem er entstand. Zunächst verließ er als eine von der Natur vollständig ausgeformte Art seine Heimat Afrika und besiedelte die übrigen Kontinente. Bei der Suche nach einer Ätiologie, Diagnose und Therapie für das durch die Kultur beschädigte Ökosystem der Erde muss das Recht daher nicht nur die Interessen der menschlichen Art verteidigen, sondern vor allem den Erhalt der breiteren und älteren Existenz, die vergessene Integrität des Planeten. Daher ist es kein Paradox, wenn das Recht bei der Verteidigung der Interessen der Menschheit im Gegensatz zur anthropozentrischen Tradition die Interessen der irdischen Natur verfolgt. Wie ein Arzt am Krankenbett muss auch die Rechtssprechung in der Krisensituation für die Erde um das Schicksal der natürlichen Existenz fürchten und ihre unnötige Destruktion verhindern.
  3. Alle bisherigen biologischen Forschungsergebnisse bestätigen, dass der anatomisch moderne Mensch, d.h. der Cro-Magnon-Mensch, eine durch Zufall entstandene zoologische Art darstellt. Er ist ein Großwirbeltier, das zur Klasse der Säugetiere, zur Ordnung der Primaten und zur Familie der Hominiden gehört. Er ist allerdings eine junge Art, die, gemessen an geologischen Zeitmaßstäben, erstmals in den letzten Sekunden einer imaginären Uhr auftaucht, deren Zifferblatt die Existenzdauer des Lebens auf der Erde darstellt. Diese Gesamtdauer wird auf mehr als 3,5 Milliarden Jahre geschätzt. Daher ist ein wahrer, jedoch recht provokativer Hinweis angebracht: Die ersten drei Milliarden Jahre bewohnten nur Bakterien die Erde, und sollte die Erde jemandem gehören, dann gerade ihnen. Die Menschen sollten heute wissen, dass ihr gesunder Organismus im Grunde ein Biom darstellt, das mehr bakterielle Zellen enthält, als der gesamte menschliche Körper an eigenen somatischen Zellen zählt (etwa 14).
  4. Zusammen mit vielen weiteren Lebewesen ist der Mensch demnach ein relativ spätes Produkt der natürlichen, biotischen Evolution. Da er als Art eine entsprechend biologisch begrenzte Existenzdauer hat, sind die Menschen im doppelten Sinne sterblich – als Individuen und als Art. Arten entstehen in der Biosphäre nämlich spontan (bezüglich ihrer späteren Existenzdauer relativ schnell) und nach einer gewissen erfolgreichen Verweildauer auf der Erde sterben sie ebenso spontan (und relativ schnell) aus. Im Verlauf ihrer Existenz entwickelt sich eine Art nicht allzu sehr. Daher existiert heute nur ein kleiner Teil der biologischen Arten, die die Biosphäre im Laufe ihrer Evolution hervorgebracht hat. Das Verhältnis derer, die existieren, und derer, die ausgestorben sind, beträgt etwa 1:1000.
  5. Der Mensch ist ein Teil der Biosphäre und ist mit ihr funktionell vielfach verbunden: dies sind stoffliche, energetische und informationelle Beziehungen. Er ist eine besondere biologische Art nicht nur durch seine Morphologie und Physiologie, sondern vor allem durch seine Psyche – sein Verhalten. Die menschliche Psyche, die sein Verhalten reguliert, ist nicht einfach nur eine biologische Ergänzung seines menschlichen Organismus. Das System der Kultur, das der Mensch zu schaffen vermochte, stellte für die menschliche Psyche einen neuen Anreiz zur eigenen Entwicklung dar. Daher überragt die durchschnittliche Psyche heute die engen biologischen Bedürfnisse des menschlichen Organismus und ist in Bezug zu diesem hypertrophiert, erweitert und teilweise auch durch die Kultur deformiert.
  6. Bei der Einzigartigkeit der Art Mensch spielen der aufrechte Gang, das stereoskopische Farbsehen und die von der Fortbewegung unabhängigen Hände eine außergewöhnliche Rolle. Da die natürliche Behausung der menschlichen Vorfahren die Baumkronen der afrikanischen tropischen Urwälder waren, fanden die Menschen nach deren Verschwinden in der Buschsavanne kein Zuhause mehr. Sie waren gezwungen, sich Hütten zu bauen und sich und ihre Kinder vor Raubtieren auf der nackten Erde zu schützen, Zäune zu bauen und immer anspruchsvollere Überlebensstrategien zu finden. Ihr großes und leistungsfähiges Gehirn entwickelte sich als Organ, das ihnen bei der Anpassung an diese erzwungene Lebensweise half. Insgesamt formen aber nicht nur die frühen Phasen der menschlichen Ontogenese, die sogenannte sensitive Periode, die menschliche Psyche, sondern auch durchgehend die eine oder andere Kultur. Neben der Plastizität, die die evolutionär jüngsten kognitiven Prozesse betrifft und dem Menschen ermöglicht, fast das gesamte Leben zu lernen, ist die menschliche Psyche auch strukturell konservativ. Sie ist durch die Konstanz einiger Reaktionsmuster und emotiver Funktionen gekennzeichnet, die im Hirnstamm angesiedelt sind.
  7. Auch das Recht kann zu einer adäquaten Formierung des Menschen beitragen. Die Beziehung des Menschen zur Welt darf nicht mehr nur geistig und moralisch verstanden werden, d.h. ohne ein Verständnis der Einheit des Menschen als Lebewesen mit der gesamten abiotischen und biotischen Umwelt der Erde. Aber auch die funktionelle Zuordnung des Menschen zur Natur umfasst nicht die ganze Wahrheit über die Natur des Menschen. Den Menschen charakterisiert in seinen Lebensäußerungen und in seiner Motivation vor allem die Kultur, jener überpersönliche Körper, den er durch seine Aktivität geschaffen hat, der ihn determiniert und durch den er sich bisher viel zu aggressiv an die natürliche Umwelt „anpasst“. Die Regeln für eine kulturelle Lebensweise scheinen sich jedoch im konservativen menschlichen Genom nicht festzusetzen. Die biologisch bestimmte menschliche Natur ist konstant.
  1. Die Feststellung, dass der Mensch die künstliche und vorübergehend existente Kultur, d.h. eine ontisch niedrigere, zweckmäßig organisierte und daher lokal stärkere und gegenüber der Biosphäre destruktive Wirklichkeit formt, muss nicht negativ aufgefasst werden. Im Gegenteil, dieses Eingeständnis gibt den Gesellschaftswissenschaften, der Rechtsprechung und der Politik die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu warnen. Erst, wenn wir nichts tun, erst wenn wir resignieren und nicht unsere Fähigkeit der kritischen philosophischen Rationalität nutzen, um das Raubparadigma zu verurteilen und abzulehnen und um die Notwendigkeit einer biophilen Transformation der globalen antinatürlichen Kultur zu erkennen, müssen wir das sich nahende Ende des Menschen und seiner Kultur erwarten.
  2. Bezüglich der Anerkennung einer höheren rechtlichen Subjektivität der Erde sollte auch verständlich formuliert werden, was viele Menschen intuitiv fühlen und was sehr wohl im Einklang mit den Erkenntnissen der spezialisierten Wissenschaften steht: Dass wir erstens in einem kalten, weiten und gegenüber der Erde vollkommen gleichgültigen Weltall leben und dass wir unsere vorübergehende Kultur nur dank der fehlerfreien biologischen Reproduktion der somatischen und psychischen Strukturen des Menschen, d.h. praktisch dank der Integrität, Vielfalt und funktionellen Einheit der Biosphäre formen können. Zweitens, dass die langsamen evolutionären Veränderungen des menschlichen Organismus hinter den schnellen kulturellen Veränderungen der äußeren Umwelt deutlich zurückbleiben (einst waren sie mit der ebenso langsamen Evolution der Biosphäre eng abgestimmt). Die schnelle Entwicklung des menschlichen Gehirns (Neokortex) im Verlauf der Anthropogenese (der Entwicklung unserer Art) schuf offenbar auch günstige Bedingungen für dessen Plastizität im Verlauf der Ontogenese (im Prozess der Formung des Individuums durch die Kultur). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren biologischen Strukturen des menschlichen Körpers: andere Strukturen unseres Organismus lassen eine derartige Plastizität vermissen.
  3. Eine antizipierende rechtliche Regulierung der menschlichen Aktivität im globalen Maßstab – ein Problem, dem sich die Rechtsprechung nie in so komplexer Form stellen musste – kann sich nicht nur darauf beschränken, was ein abstrakt gedachter Mensch ist und welche Beziehung er zu Eigentum, Freiheit, anderen Menschen und ethnischen Gruppen hat. Erstmals in der Geschichte muss sich das Recht auch damit befassen, was für ontische Daseinsformen die Erde, die Kultur und der Mensch als biologische Art darstellen. Es muss sich mit der Frage beschäftigen, welche ontische Struktur und welches Ausmaß die Kultur haben sollte, damit sie gemeinsam mit der Natur unsere Art reproduzieren und erhalten kann und gleichzeitig nicht das Leben beeinträchtigt, von dessen Aktivität und großen Artenvielfalt (Biodiversität) die Menschen existentiell abhängen.
  4. Ein tieferes Verständnis der Menschenrechte und -freiheiten, sowie der menschlichen Subjektivität ist eng mit der Vorstellung eines ontologischen Weltbilds ohne den Menschen verbunden. Die Welt entstand und war spontan und ontisch kreativ bereits lange vor dem Erscheinen des Menschen. Der Mensch blieb als Produkt der Erde, als ihr vorübergehend lebender Zweig auch mit seiner Kultur der Erde untergeordnet. Jedoch ist ein wahrhaftiges Bild vom Menschen ebenso stark an ein adäquates Verständnis der Welt mit dem Menschen gebunden. Es ist an die Anerkennung der Tatsache gebunden, dass unsere biologische Art eine Kultur formt, deren Ausbreitung die Natur, die nicht vom Menschen geschaffen wurde, unwiederbringlich verwüstet. Gerade für diesen destruktiven ontischen Prozess trägt der Mensch als Art eine bisher noch nicht genau bestimmte Verantwortung, d.h. er ist nicht für die Natur verantwortlich, die er nicht geschaffen hat und der er voll untersteht, sondern für die Kultur, für sein Werk, mit dem er die Erde vernichtet.
  5. Auch wenn wir in Betracht ziehen, dass die sozialen und ökonomischen Subsysteme auch ihre eigene künstliche Subjektivität erlangen, dass sie sich eigenständig strukturieren und durchsetzen, scheint es so, dass sie im geistigen Raubparadigma – und ein gutes Beispiel dafür ist die wachsende Subjektivität des globalen Kapitals – für die Menschheit perspektivische Interessen nicht durchsetzen können. Eher ist es umgekehrt. Sie vertreten immer häufiger die Interessen ihrer Eigentümer und des Spitzenmanagements, allgemeine menschliche Interessen heucheln sie nur vor. Diesen Subjektivitäten passt es, abstrakt formulierte Menschenrechte zu betonen, aber mitnichten konkret formulierte Rechte der Erde oder die Notwendigkeit, dass sich die globale Kultur dem Planeten unterzuordnen hat, hervorzuheben.
  6. Da nur der Mensch die Kultur formt, steht und fällt deren künstliches System mit der Existenz der Menschen, mit der menschlichen, nichtbiologischen Aktivität. Sterblich ist jedoch nicht nur der Mensch als Individuum oder als Art. Ohne den Menschen ist auch das artspezifische Produkt des Menschen sterblich, die Kultur. Gerade die Vergänglichkeit der Kultur ist der überzeugendste Beweis für den Trugschluss, dass die Kultur die bloße Fortsetzung der natürlichen Evolution mit anderen Mitteln ist. Aber dadurch, dass die Kultur ihre eigene innere Integrität besitzt, ihre eigene anti-entropische Barriere (die Geisteskultur), ist sie vom Menschen und von der Natur nicht nur abhängig, sondern teilweise auch unabhängig, ontisch relativ eigenständig. Die relative Eigenständigkeit der Kultur bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch allein durch die Kultur bestimmt und getragen wird, dass er von der Kultur abhängig wäre wie ein Sklave. Im Gegenteil, er kann mittels Philosophie, Recht und Politik die einst gewählte geistige Rauborientierung der Kultur verändern. Er kann sich der einst erfolgreichen, heute jedoch schon nachweisbar selbstzerstörerischen Strategie der Kultur entgegenstellen.